Bd. 3 Nr. 2 (2021): Diagnostik

Angestoßen durch die 2021 gestartete Förderung von Forschungsprojekten innerhalb der BMBF-Richtlinie „Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung“ (vgl. BMBF 2019), bündelt diese Ausgabe in ihrem Thementeil Beiträge, welche sich implizit oder explizit mit Qualifizierungserfordernissen, -bedarfen, -konzepten und -maßnahmen im Rahmen einer inklusiven Diagnostik auseinandergesetzt haben. Die Beiträge setzen sich in je spezifischen Feldern (z.B. Übergang in sowie Grundschule oder Hochschule/Lehrkräftebildung) mit unterschiedlichen thematischen Foki (z.B. digital-inklusive Diagnostik oder Diagnostik im inklusiven MINT-Unterricht) mit diesen Qualifizierungsaspekten auseinander.

Sina Schürer und Katrin Lintorf nehmen schulinterne sowie -externe Kooperationsprozesse am Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule in den Blick. Die Autorinnen fassen Kooperation, dem Vier-Komponenten-Modell der Diagnosequalität nach van Ophuysen und Behrmann (2015) folgend, als ein Qualitätsmerkmal für diagnostische Prozesse auf, an deren Ende im Falle der im Kontext der hier angelegten Untersuchung eine Schulformempfehlung gegenüber Erziehungsberechtigten ausgesprochen wird. Auf schulinterner Ebene werden dabei bspw. Fragen zur Aufgabenteilung und Verantwortlichkeit für Diagnostik zwischen Sonderpädagog:innen und Regelschullehrkräften virulent. Aus den Ergebnissen der qualitativen Studie lässt sich ableiten, dass Kooperation nicht nur aber insbesondere am Übergang in weiterführende Schulen in der Qualifizierung der Fachkräfte als Thema an Bedeutung gewinnen sollte.

Diagnosegeleitete Förderung im inklusiven Mathematikunterricht der Grundschule als Thema in der ersten Phase der Lehrkräftebildung nehmen Kristina Hähn, Uta Häsel-Weide und Petra Scherer in ihrem Artikel in den Blick. Im Beitrag wird die qualitative und quantitative Begleitforschung zu Lehrveranstaltungen, welche eine reflexive Vermittlung von fach- und fachdidaktischem sowie pädagogischem Wissen und die Reflexion von Praxiserfahrungen zu Diagnostik und Förderung fokussieren, vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden durch die Lehrveranstaltungen ihre diagnostischen und förderbezogenen Kompetenzen sowohl mit Bezug auf ihre Wissensbestände, als auch ihrer Handlungspotenziale als verbessert einschätzen. Insbesondere, so betonen die Autorinnen, sollte die Verzahnung von Theorie und Praxis(erfahrungen) in Lehrveranstaltungen berücksichtigt werden, sodass bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung Professionalisierungsprozesse im Bereich diagnosegeleiteter Förderung für die inklusive Bildung angelegt werden können.

Die Erhebung kindlicher Präkonzepte anhand von Konzeptdialogen zum Sachunterrichtsthema „Stabilität von Brücken“ bildet im Beitrag von Kathrin Hormann, Laisa M. Quittkat und Claudia Schomaker den Ausgangspunkt unterschiedliche Lernvoraussetzungen von Kindern zu diagnostizieren. Die Autorinnen fokussieren in ihrem Artikel einen diagnostischen Prozess im Sachunterricht und verstehen diesen explizit als inklusiv, da nicht allein der Lernoutput im Sinne kognitiver Kompetenzen als bedeutsam angesehen wird, sondern die Persönlichkeit der Schüler:innen sowie deren Lernentwicklung unter möglichst vielfältigen Gesichtspunkten mit berücksichtigt wird. Im Beitrag wird eine im Rahmen der KoAkiK-Projekte durchgeführte Interviewstudie mit Vorschulkindern vorgestellt. Inhalt und Ziel der Studie ist es, alltagintegrierte und lernunterstützende Interaktionen in Bezug auf naturwissenschaftlich-technische Phänomene anzuregen, um daraus die kindlichen Vorstellungen und Problemlösungsstrategien abzuleiten, welche schließlich Anknüpfungspunkte für das weitere pädagogische Handeln bilden. Die Potenziale des Einsatzes von Konzeptdialogen als inklusives diagnostisches Instrument sowie die Nutzung phänomenographischer Forschungsergebnisse in der Lehrkräftebildung werden abschließend diskutiert.

Mit dem Ziel durch den Design-Based-Research-Ansatz Videovignetten zu erstellen, zu evaluieren und diese für die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften (des Sachunterrichts) zu nutzen, startete das Projekt „Didaktisch-diagnostische Potenziale des inklusionsorientierten Sachunterrichts“ (DiPoSa) im Rahmen der oben genannten BMBF-Förderrichtlinie. In ihrem Beitrag erläutern René Schroeder, Eva Blumberg, Brigitte Kottmann, Susanne Miller und Anne Reh die dem Projekt zugrundliegenden theoretischen und empirischen Zugänge sowie dessen forschungsmethodische Umsetzung. Insbesondere die Auseinandersetzung der Autor:innen mit dem Einsatz von Videovignetten als realitätsnaher Zugang in der Theorie-Praxis-Verknüpfung liefert Impulse für die Qualifizierung von Lehrkräften und anderem pädagogischen Personal.

Henrike Kopmann stellt in ihrem Beitrag zunächst Konzepte und empirische Befunde zu Status- und Prozessdiganostik, diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften und alternaitven Formen schulischer Leistungsdiagnostik in inklusiven Lernkontexten zusammen. Davon ausgehend stellt sie Ergebnisse einer empirischen Studie zur Lehrkraft-Perspektiven auf diagnostische Prozesse im inklusiven Unterricht dar, die anhand von Fallvignetten die Sichtweisen von Lehrkräften an ‚inklusiven‘ Grundschulen erhoben hat.

Im allgemeinen Teil dieser Ausgabe sind vier weitere Beiträge im Kontext der Qualfizierung für eine inklusive Bildung veröffentlicht. Ein inklusionsorientiertes Seminarangebot für angehende Sportlehrkräfte zur Gestaltung einer barrierefreien Sporthalle als inklusiver Lernort stellen Frederik Bükers, Jonas Wibowo und Marie-Luise Schütt in ihrem Beitrag vor. Eine empirische Studie zum Praxisnutzen des Didaktischen Modells für inklusives Lehren und Lernen (DiMiLL) bildet den Kontext des Beitrags von Lena Schmitz und Julia Frohn. Der Gebrauch von Kategorien in studentischen Äußerungen über Inklusion und damit der Diskurs um De-/Kategorisierung macht Marian Laubner zum Thema seines Aufsatzes. Und Roswitha Lebzelter befasst sich in ihrem Beitrag mit einem Lehrveranstaltungskonzept für angehende Lehrkräfte, in welchem diese Personen mit motorischen, motorisch-kognitiven und komplexen Beeinträchtigungen begegnen und über diesem Kontakt Kompetenzen aufbauen.

Viel Freude bei der Lektüre der vielfältigen Beiträge dieser Ausgabe wünscht im Namen der Redaktion

Alica Strecker

 

Literatur

BMBF. (2019). Richtlinie zur Förderung von Projekten zum Thema „Förderbezogene Diagnostik in der inklusiven Bildung“ (Bundesanzeiger AT 05.12.2019 B5). Verfügbar unter https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-2752.html

van Ophuysen, S. & Behrmann, L. (2015). Die Qualität pädagogischer Diagnostik im Lehrerberuf – Anmerkungen zum Themenheft „Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften und ihre Handlungsrelevanz“. Journal for Educational Research Online, 7(2), 82–98. doi: 10.25656/01:11491

 

Veröffentlicht: 2021-09-02

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